Unverzichtbar: Frauen in der Fischereiindustrie / Exklusives Intertview mit MSC-zertifizierter Krabbenfischerin anlässlich des Weltfrauentags

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Berlin (ots) –

Wer an Fischerei denkt, denkt vermutlich an Männer auf einem Boot – harte Kerle die schwere Netze aus dem Meer ziehen. Was aber kaum jemand weiß: Jeder zweite Arbeitsplatz in der Fischindustrie wird von einer Frau besetzt. Frauen spielen eine entscheidende, aber oft unterschätzte Rolle in der weltweiten Fischereiindustrie. Während 21% im primären Sektor tätig sind, zeigt sich bei Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette eine Geschlechterparität in der Branche. Der Anteil von Frauen ist besonders hoch in der handwerklichen Fischerei, bei der Fischverarbeitung und im Fischhandel. Dies verdeutlicht den unverzichtbaren Beitrag von Frauen in dieser vermeintlichen Männerdomäne.

Liesbeth de Haan, geboren 1970, ist Fischerin in der MSC-zertifizierten Nordseekrabbenfischerei. Sie lebt auf Terschelling, einer der fünf niederländischen Wattenmeerinseln, und ist dort eine von insgesamt fünf Krabbenfischern in ihrer Gemeinde.

In einem exklusiven Interview anlässlich des Weltfrauentags gewährt Liesbeth de Haan Einblicke in das tägliche Leben einer Fischerin und berichtet von der Überwindung von Geschlechterstereotypen bis hin zum entschlossenen Einsatz für Nachhaltigkeit.

Als Verfechterinnen von Nachhaltigkeit und Vielfalt spielen Frauen wie Liesbeth de Haan eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Zukunft der Fischerei weltweit. Sie gehört zu der Mehrheit der Nordseekrabbenfischer- und Fischerinnen, die sich mit der MSC-Zertifizierung freiwillig Regeln zur Schonung des Krabbenbestandes in der Nordsee und zum Erhalt des marinen Ökosystems auferlegt haben. VerbraucherInnen belohnen diesen Einsatz, wenn sie beim Krabbenkauf auf das MSC-Siegel achten!

Liesbeth de Haan im Interview: „Frauen bringen eine Vielzahl von Perspektiven und Fähigkeiten ein, die zu nachhaltigeren Fischereipraktiken beitragen können.“

Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?

Ich bin in einem malerischen Fischerdorf in den Niederlanden aufgewachsen. Mein Vater erwarb sein erstes Fischereiboot im Alter von 19 Jahren und widmete sein ganzes Leben der Fischerei. Während meiner Kindheit und Jugend war ich aktiv im familiären Fischereibetrieb involviert und erwarb sogar mein eigenes Fischereidiplom. Obwohl ich aufgrund anderer Verpflichtungen selten mit den Männern auf See war, änderte sich dies viele Jahre später. Zu diesem Zeitpunkt war ich unzufrieden mit meinem bisherigen Beruf und mein Mann Willem, ebenfalls Fischer, suchte nach einem zuverlässigen Partner. So begannen wir im Winter 2019 gemeinsam zu fischen.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Sie aus?

Unsere Tage sind so strukturiert, dass wir meistens nachts Krabben fangen und uns tagsüber ausruhen können. Wir sind Teilzeitfischer und legen neben unseren Fischereiverpflichtungen großen Wert auf die persönliche Betreuung unserer Kinder sowie das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben. Die unregelmäßigen Arbeitszeiten können herausfordernd sein, insbesondere wenn man sich an den Wechsel zwischen Tag- und Nachtschichten gewöhnen muss.

Was mögen Sie am meisten an Ihrer Arbeit?

Am meisten genieße ich die Spannung beim Einholen der Netze – es ist jedes Mal aufs Neue aufregend! Die direkte Berührung mit der Natur erfüllt mich mit Freude und stärkt meine Bindung zum Meer.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Missverständnisse über die Fischereiindustrie?

Ein weit verbreitetes Missverständnis ist der Glaube, dass Fischer die Meeresressourcen rücksichtslos ausbeuten möchten. Dies entspricht nicht der Realität. Viele Fischer, ob nun Männer oder Frauen, möchten einfach nur ihren Lebensunterhalt auf nachhaltige Weise verdienen und die Fischbestände für kommende Generationen erhalten. Es ist wichtig, diese Mythen zu entkräften und das Engagement der Fischer, die sich für verantwortungsvolle Fangmethoden einsetzen, anzuerkennen.

Was hat Sie dazu bewogen, einen Beruf zu ergreifen, der traditionell von Männern dominiert wird?

Ich empfand es immer als unkomplizierter, mit Männern zusammenzuarbeiten – die Kommunikation war direkt und es gab weniger unnötiges Gerede. Dank meiner Körpergröße und meiner Teilnahme an Sportarten, die für starke Frauen bekannt sind, hatte ich nie Probleme, mich in männlich dominierten Umgebungen zu behaupten. Zudem habe ich mich nie an Geschlechternormen gebunden gefühlt, sondern bin stets meinen Leidenschaften und Fähigkeiten gefolgt, unabhängig von gesellschaftlichen Erwartungen.

Welche Situationen haben Sie als Frau in diesem Beruf vor Herausforderungen gestellt?

Der Umgang mit gesellschaftlichen Normen und familiären Erwartungen war bisweilen eine Herausforderung. Mein Mann und ich haben jedoch stets daran geglaubt, Klischees zu durchbrechen und unsere Leidenschaften gemeinsam zu verfolgen. Indem wir unsere Fähigkeiten und unser Engagement unter Beweis gestellt haben, haben wir uns in der Branche und unter unseren Kollegen Respekt verschafft.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Ihrem Beruf, und wie hat sich Ihre Einstellung dazu entwickelt?

Nachhaltigkeit ist von größter Bedeutung in unserer Branche. Maßnahmen wie verkürzte Fangzeiten bei rückläufigen Bestandsgrößen und der Einsatz von Fluchtfenstern in Netzen zur Reduzierung des Beifangs sind von entscheidender Bedeutung. Die MSC-Zertifizierung im Jahr 2016 war für uns ein bedeutender Meilenstein, der unser Engagement für nachhaltige Praktiken unterstreicht und auch für Verbraucher sichtbar macht. Im Laufe der Zeit hat sich meine Einstellung vom bloßen Bewusstsein hin zur aktiven Umsetzung entwickelt. Wir bemühen uns stets, unsere Umweltauswirkungen zu minimieren und die langfristige Gesundheit der Meeresökosysteme zu gewährleisten.

Welche Botschaft möchten Sie über die Bedeutung einer nachhaltigen Fischerei vermitteln?

Wir müssen gemeinsam für nachhaltige Fischereipraktiken eintreten, um unsere Ozeane für künftige Generationen zu erhalten. Es geht nicht nur um kurzfristige Gewinnmaximierung, sondern um den Schutz der Artenvielfalt und die Bewahrung der Meeresressourcen zum Wohle aller.

Glauben Sie, dass die Stärkung der Rolle der Frauen in der Fischerei zu einer nachhaltigeren Nutzung der Ressourcen führen kann?

Absolut. Frauen bringen einzigartige Perspektiven und Fähigkeiten mit, die zu nachhaltigeren Fischereipraktiken beitragen können. Ob in der Fischerei, der Forschung oder dem Monitoring – Frauen spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Zukunft der Fischerei. Oftmals nehmen Frauen auch eine zentrale Position in lokalen Gemeinschaften ein und verfügen über ein breites Netzwerk. Diese Netzwerke können genutzt werden, um das Bewusstsein für nachhaltige Fischereipraktiken zu schärfen, Gemeinschaften zu mobilisieren und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Interessengruppen zu fördern. Durch die Stärkung der Rolle von Frauen in der Fischerei können wir dazu beitragen, dass verschiedene Perspektiven berücksichtigt werden, und wir können Vielfalt, Innovation und den verantwortungsvollen Umgang mit unseren Meeresressourcen fördern, was letztendlich zu einer nachhaltigeren und gerechteren Branche führt.

Pressekontakt:
Marine Stewardship Council (MSC)
Gerlinde Geltinger
+49 30 609 8552 80
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Original-Content von: Marine Stewardship Council (MSC), übermittelt durch news aktuell
Quelle: ots