Köln (ots) –
Die deutschen Lebensversicherer präsentieren sich aktuell so heterogen wie selten. Unternehmen mit Stillen Reserven stehen Versicherer gegenüber, in deren Bilanzen so hohe Stille Lasten schlummern, dass sie die Zukunftsfähigkeit dieser Anbieter gefährden können. Für die aktuelle Studie „Unternehmensqualität der Lebensversicherer“ hat DFSI Ratings daher 34 marktrelevante Anbieter daraufhin untersucht, wie gut sie für die Zukunft gerüstet sind. Das Ergebnis dieses Qualitätsratings: Am besten steht – wie in den Vorjahren – die WWK da, dahinter folgen gleichauf Europa und Ergo Vorsorge.
Chance oder Risiko? Die Situation an den Finanzmärkten stellt sich derzeit für die deutschen Lebensversicherer ganz unterschiedlich dar. Je nachdem, wie gut die Unternehmen die jahrelange Niedrigzinsphase und die anschließende abrupte Zinswende in ihren Bilanzen verarbeitet haben. Einerseits drückt das Erbe niedriger Zinsen der Vorjahre noch spürbar, andererseits eröffnen sich allmählich Chancen durch die Zinswende. „Die Stillen Lasten bleiben jedoch für viele Anbieter ein zentrales Risiko“, weiß DFSI – Senior Analyst Sebastian Ewy. „Noch immer werden Altbestände aus der Niedrigzinsphase mit erheblichen Kursabschlägen gehandelt. Eine ungünstige Zinsentwicklung kann hier die Spielräume vieler Unternehmen empfindlich einschränken.“ Der dafür verantwortliche Mechanismus: Steigen die Zinsen weiter, lässt dies die Marktwerte der Altbestände weiter fallen und zwingt bei Umschichtungen zur Realisierung stiller Lasten. Anderseits erhöhen sinkende Zinsen zwar die Marktwerte der Altanleihen, mindern jedoch die Renditechancen künftiger Anlagen.
Nur einige wenige Versicherer können von den höheren Zinsen neuer Anleihen profitieren, weil sie bereits Stille Reserven ausweisen können oder kaum Stille Lasten haben. Die Hannoversche und die WWK stechen hier positiv heraus: Sie weisen in ihren Bilanzen als einzige Lebensversicherer deutschlandweit Stille Reserven aus. „Diese beiden Versicherer haben offenbar ihre Portfolios rechtzeitig angepasst, sodass sie nun positive Stille Reserven ausweisen können“, glaubt Ewy. „Dies zeigt, dass eine kluge Kombination aus vorsichtiger Steuerung der Anleihelaufzeiten und aktiver Portfoliooptimierung auch in einem schwierigen Markumfeld mit abrupt steigend Zinsen Erfolg bringen kann.“
Allerdings ist der Versicherungsanalyst nicht der Meinung, dass die Branche insgesamt bereits wieder „über dem Berg“ ist. So warnten Ratingagenturen und Marktanalysen unisono davor, dass Stille Lasten weiterhin die Kapitalstruktur der Lebensversicherer belasten. Ewy: „Branchenweit werden die Stillen Lasten derzeit auf rund 90 Milliarden Euro geschätzt – 15 Milliarden Euro mehr als vor Jahresfrist. Sie wirken damit weiterhin belastend, da sie die laufende Verzinsung der Kapitalanlagen mindern und die finanzielle Stabilität vieler Unternehmen einschränken.“
Ewy warnt: „In einigen Fällen reichen selbst die vorhandenen Sicherungsreserven und die Auflösung der Zinszusatzreserve nicht aus, um die Bewertungsdefizite auszugleichen – besonders bei Versicherern mit stark überalterten Kundenbeständen und damit hohen Garantiezinsen oder einem Anleiheportfolio, dessen Verzinsung deutlich unter den aktuellen Marktzinsen liegt.“
Zwar erzielen einige Unternehmen inzwischen wieder höhere laufende Erträge, doch greifen diese meist nur graduell. Denn die Wirkung der höheren Kupons auf das Gesamtergebnis wird durch einen hohen Anteil an Altbeständen und deren längere Laufzeiten abgeschwächt. Ewy: „Hier besteht weiter die Gefahr, dass bei plötzlichen Zinsbewegungen Stille Lasten ganz oder teilweise realisiert werden müssen – insbesondere, wenn größere Umschichtungen anstehen.“
Kundinnen und Kunden sollten daher Überschüsse und Gewinnbeteiligungen mit Vorsicht betrachten. Selbst wenn die Zinsen neuer Anleihen attraktiv erscheinen, wirken diese sich nur langsam im Kapitalstock aus. Hinzu kommt: Unternehmen mit hohen Stillen Lasten haben weniger Spielraum, um von diesem höheren Zinsniveau zu profitieren. Ewy: „Die Stabilität des Geschäfts bleibt in hohem Maße von der Fähigkeit abhängig, Stille Lasten nicht durch Veräußerungen realisieren zu müssen und Reserven und Liquidität umsichtig zu steuern.
Bei den Produkten setzt sich der Trend zu modernen, risikooptimierten Policen weiter fort. Klassische Policen mit starren, hohen Garantien geraten dagegen immer stärker unter Druck, da sie im derzeitigen Umfeld besonders anfällig sind. Fondsgebundene oder hybride Lösungen mit schwächeren Garantieelementen bieten mehr Spielraum für eine höhere Rendite, ohne die Kapitalstruktur über Gebühr zu belasten.
Insgesamt sieht Versicherungsexperte Ewy derzeit für die Lebensversicherer „durchaus Chancen am Kapitalmarkt, doch die Altlasten zwingen zur Vorsicht.“ Die beiden Versicherer mit Stillen Reserven – WWK und Hannoversche – liefern aus seiner Sicht der Branche dabei wichtige Impulse, wie ein umsichtiger Anlageansatz aussieht. „Doch für die Mehrheit gilt: Die Stille Belastung ist real, sie ist strukturell und sie verlangt weiterhin eine disziplinierte Bilanzpolitik und ein konservatives Risikomanagement“, so Ewy weiter. „Nur jene Unternehmen, die Kapitaleffizienz, Balance zwischen Alt- und Neuanlagen und Liquiditätssteuerung in Einklang bringen, werden in diesem Umfeld langfristig bestehen.“
Angesichts dieser Situation rät der Versicherungsexperte: „Neukunden sollten beim Abschluss einer kapitalbildenden Police gezielt auf Anbieter setzen, die gut dastehen und ein zukunftssicheres Geschäftsmodell vorweisen.“ Aber auch für alle, die bereits eine klassische Lebensversicherungs- oder Rentenpolice haben, sollte die Zukunftsfestigkeit ihres Versicherers höchste Priorität haben. Ewy rät allen Kunden, „sich zu fragen, wie sicher ist es, dass der gewählte Versicherer auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten so gut wirtschaftet, dass sich eine Police tatsächlich rentiert?“
Um hier eine leicht verständliche aber dennoch differenzierende Hilfestellung zu geben, hat DFSI Ratings auch dieses Jahr die Studie „Unternehmensqualität der Lebensversicherer“ erstellt. Für das aktuelle Rating wurden 34 marktrelevante Lebensversicherer eingehend bewertet. Diese decken zusammen über 70 Prozent des deutschen Lebensversicherungsmarkts ab.
„Für Versicherungsvermittler und potenzielle Neukunden bietet unser deutschlandweit einzigartiges Qualitätsrating eine einfache Möglichkeit, trotz der komplexen Finanzstrukturen der Lebensversicherer zu einem klaren Urteil darüber zu gelangen, welche Anbieter mit sehr hoher Qualität und Substanzkraft überzeugen.“, erklärt Ewy, Leiter für Produkt -& Unternehmensratings bei DFSI. „Wir bieten damit in einer Branche mit komplexen Finanzstrukturen auf einfache Weise Orientierung.“ Das Qualitätsrating kann auch Bestandskunden wertvolle Antworten auf die Frage liefern, ob Verträge fortgeführt, stillgelegt oder storniert werden sollen.
Für das DFSI-Qualitätsrating werden die drei für die Kunden wichtigsten Faktoren zur Beurteilung der Qualität „ihres“ Lebensversicherers – finanzielle Substanzkraft, Produkt- und Servicequalität – untersucht und bewertet. Substanzkraft und Produktqualität fließen dabei mit je 40 Prozent in das Ergebnis ein, der Service mit 20 Prozent.
Um zu ermitteln, wie es um die Substanzkraft der Versicherer bestellt ist, setzten die Experten von DFSI Ratings auf mehrere Kennzahlen: die Gewinndeklaration für 2025, die Nettorendite und die Substanzkraftquote, die sich wiederum aus dem Eigenkapital, der freien Rückstellung für Beitragsrückerstattung (freie RfB), den Bewertungsreserven sowie der Deckungsrückstellung errechnet. Zudem wurde bei der aktuellen Studie erstmals die Solvency-II-Quote als eigene Kennzahl in die Bewertung aufgenommen, um die aufsichtsrechtliche Kapitalstärke der Unternehmen sowie einen eventuellen Konzernrückhalt besser abzubilden. „Sie ergänzt die Substanzkraftquote, da sie bei Konzernunternehmen, die regelmäßig Eigenkapital an eine Muttergesellschaft abführen die tatsächliche Substanzkraft exakter abbildet“, erläutert Experte Ewy.
In einem letzten Schritt wurden die gemeldeten SCR-Quoten rechnerisch um Übergangsmaßnahmen bereinigt. Lag diese bereinigte SCR-Quote unter 100 Prozent, wurden von der ermittelten Substanzkraft 50 Punkte abgezogen. „Das ist durchaus gerechtfertigt. Denn diese Anbieter erfüllen derzeit die gesetzlichen Vorgaben nicht ohne Übergangsmaßnahmen“, erläutert Ewy.
Zur Messung der Produktqualität greift das DFSI auf eigene Studien zurück, mit denen während der vergangenen zwölf Monate die Qualität unterschiedlicher Lebensversicherungsprodukte getestet wurde. Zudem wird bewertet, in welchem Umfang Versicherer ihre Produkte unabhängigen Marktvergleichen zugänglich machen. Eine hohe Beteiligung an Marktvergleichen steht dabei für Transparenz, Vergleichsbereitschaft und Vertrauen in die eigene Produktqualität.
Die Servicequalität wiederum wird indirekt aus Kennzahlen wie den Früh- und Spät-Stornoquoten, der Beschwerdestatistik der Bafin sowie den Ergebnissen hauseigener und fremder Servicestudien ermittelt.
Im Bereich „Substanzkraft“ schnitt die BL – die Bayerische mit der Note „Exzellent (0,8)“ am besten ab, gefolgt von der WWK mit „Exzellent (1,0)“. In Sachen „Produktqualität“ kamen dagegen Allianz, Continentale und WWK jeweils mit der Note „Exzellent (1,0)“ gemeinsam auf den ersten Platz. Und beim „Service“ wiederum kamen insgesamt dreizehn Lebensversicherer mit voller Punktzahl ganz nach oben. Sie alle erhielten hier die Note „Exzellent (0,5)“.
In der Gesamtwertung aller drei Bereiche erreicht von 34 untersuchten Lebensversicherern – wie schon in den Vorjahren – lediglich die WWK die Bestnote „Exzellent (0,9)“. Die Lebensversicherer Europa und Ergo Vorsorge schrammen dagegen mit der Note „Sehr Gut (1,1)“ ganz knapp an der Bestnote vorbei. Zudem wurden weitere drei Lebensversicherer von DFSI Ratings mit „Sehr Gut“ bewertet: Hannoversche (1,2), Continentale (1,3) sowie die LV 1871 (1,4). Das Gros der Lebensversicherer – insgesamt 25 Unternehmen – erhielt die Gesamtnote „Gut“ in Abstufungen von 1,6 bis 2,5. Gerade einmal drei Versicherer kamen über ein „Befriedigend“ (2,6 bis 2,9) nicht hinaus.
Mehr Informationen zu den Ergebnissen des Ratings finden Sie unter: https://www.dfsi-ratings.de
DFSI Ratings ist eine Marke des Deutschen Finanz-Service Instituts GmbH (DFSI). Diese ist ein unabhängiger Datendienst, der marktrelevante Informationen zu Versicherern, Banken, sonstigen Finanzdienstleistern und Gesetzlichen Krankenkassen sammelt und bewertet. Dabei werden zu Finanzprodukten die Informationen, die für Privatkunden entscheidungsrelevant sind, gebündelt und als Produktratings dargestellt. Hier fließen insbesondere Daten aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), Leistungs- und Servicedaten des Versicherers sowie Preis- und Prämiendaten ein. Das DFSI erstellt seit 2008 branchenweite Leistungstests zu Finanzprodukten. Zudem arbeitet sie als unabhängige Agentur für Qualitätsratings im Versicherungssektor. Sie bietet seit 2011 Qualitätsratings an, die aus Sicht von Privatkunden die Unternehmensqualität von Versicherern und Gesetzlichen Krankenkassen darstellen. Dabei werden keine Bonitätsratings für Investoren und/oder Anleger erstellt. DFSI Ratings hat bei Versicherern und Gesetzlichen Krankenkassen mit über 120 Ratings die höchste Abdeckung veröffentlichter Qualitätsratings im deutschen Markt.
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