Bad Rothenfelde/Osnabrück (ots) –
Zwischen Koalitionsstreit und Trump: Vertreter aus Politik und Wirtschaft diskutieren über die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland und plädieren für europäische Einigkeit / DAX-Vorstände und mittelständische CEOs auf dem Podium
„Diese Regierung packt nicht die Themen an, die deutsche Unternehmen beschäftigen und die sie daran hindern, wieder in Deutschland zu investieren.“ Mit diesem Satz brachte Sigmar Gabriel, früherer Vizekanzler und SPD-Vorsitzender, beim heristo Zukunftsdialog Mittelstand die Stimmung vieler Unternehmer auf den Punkt. Mehr als 400 Gäste waren der Einladung der heristo aktiengesellschaft nach Osnabrück gefolgt, um über die aktuellen und kommenden Herausforderungen der deutschen Wirtschaft zu diskutieren. Im Mittelpunkt stand die Frage, welche Rahmenbedingungen Politik und Europa setzen müssen, damit Unternehmen wieder wachsen und investieren.
Moderiert von TV-Journalist Markus Lanz diskutierten Sigmar Gabriel und Alexander Marguier, Chefredakteur des Magazins Cicero, über Deutschlands Position zwischen Standortfragen, Sicherheit und internationalem Wettbewerb. Gabriel nutzte die Bühne auch, um die aktuelle Lage in Berlin sowie das Verhältnis zu den USA einzuordnen. Die nationale Sicherheitsstrategie bezeichnete er als „Epochenbruch“, zugleich kritisierte er die Europäische Union dafür, in vielen Fragen zu normativ zu handeln, statt pragmatischer und mutiger vorzugehen.
Hans Werner Sinn: „Deutschland zwingt sich in die Deindustrialisierung“
Im ersten Panel ging es anschließend um die Frage, wie Deutschland wirtschaftlich wieder „in die Spur“ kommen kann. Auf dem Podium: der frühere ifo-Präsident Prof. Hans Werner Sinn, Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, Ola Källenius, Vorstandsvorsitzender der Mercedes Benz Group, sowie Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Prof. Sinn zeichnete ein kritisches Bild des Standorts Deutschland. Der Atomausstieg, das geplante Verbrennerverbot, der Ausstieg aus Öl und Kohle und das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 hätten laut Sinn eine selbst verursachte Deindustrialisierung ausgelöst. In der Klimapolitik habe die EU eine rational begründete Sorge in ein „quasi religiöses Glaubensbekenntnis“ überhöht und dabei übersehen, dass man die Klimapolitik letztlich nur wirksam durch die Kontrolle der Abbaumengen fossiler Bodenschätze, keinesfalls aber unilateral über die Begrenzung der Nachfrage nach fossilen Brennstoffen durchführen könne. Die Brennstoffmengen, die Europa nicht mehr kaufe, würden zu fallenden Preisen an andere Länder verkauft und dort verbrannt. Die Industrie würde auf diese Weise kaputt gemacht, ohne dass es irgendwelche positiven Klimaeffekte gebe. Die EU sei ein schlechtes Beispiel für die Welt, das keiner nachmachen wolle.
Mit Blick auf den Renteneintritt der Babyboomer warnte Sinn vor einer weiteren massiven Belastung des Sozialstaats und plädierte für tiefgreifende Reformen. Dem schloss sich Rainer Dulger an. Deutschland sei aktuell nicht mehr konkurrenzfähig, sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Es brauche spürbare Entlastungen, unter anderem bei Bürokratie und Lohnnebenkosten.
Trotz der Kritik bekannten sich die DAX-Vorstände klar zum Standort. „Wir sollten mehr europäisch denken“, forderte Ola Källenius und verwies auf die Bedeutung eines starken europäischen Binnenmarktes. Christian Sewing hob die hohe Zahl krankheitsbedingter Fehltage hervor und betonte, die Einstellung vieler Menschen zur Arbeit müsse sich ändern. Gleichzeitig müsse sich Arbeit aber auch lohnen.
Mittelstand und KI: Investitionen nicht aufschieben
Einen „Blick in den Maschinenraum Mittelstand“ gewährte das zweite Panel. Prof. Dr. Norbert Winkeljohann, früherer Sprecher der Geschäftsführung von PricewaterhouseCoopers und heute unter anderem Aufsichtsrat bei Bayer und der Deutschen Bank, diskutierte mit Christoph Grimme, CEO der Grimme Landtechnik, Prof. Dr. Marco Barenkamp, Gründer und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der LMIS AG in Osnabrück, sowie Prof. Dr. Elke Pulvermüller, Professorin für Software Engineering an der Universität Osnabrück.
Im Fokus stand die Künstliche Intelligenz als Schlüsseltechnologie für die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands. Einigkeit bestand darin, dass Deutschland hier Tempo aufnehmen müsse. Investitionen dürften nicht länger vertagt werden. Die Runde sprach sich für einen europäischen Ansatz aus, mit besserer Vernetzung, klarer Aufgabenteilung und einem regulativen Rahmen, der Innovation ermöglicht, statt sie zu bremsen.
„Wirtschaft und Politik aus der Komfortzone herausholen“
Zum Abschluss zog Oliver Risken, CEO von heristo, ein positives Fazit: „Mit dem heristo Zukunftsdialog Mittelstand holen wir Wirtschaft und Politik aus der Komfortzone und an einen Tisch. Die Lage in Deutschland ist zu ernst für Business as usual. Wir brauchen mutige Entscheidungen, weniger Blockade und mehr Tempo. Dabei müssen wir vom Ende her denken und eine tragfähige Balance zwischen dem Erhalt unseres Wohlstands und einer wirksamen Klimapolitik finden. Erst dann können wir wirklich Vorbild in der Welt sein. Unser Format soll ein inspirierender Abend sein, aber auch ein Weckruf mit klaren Impulsen, damit der Standort Deutschland wieder ins Handeln kommt.“
Über den heristo Zukunftsdialog Mittelstand
Seit 2024 richtet die heristo aktiengesellschaft den heristo Zukunftsdialog Mittelstand aus. Einmal im Jahr lädt das Unternehmen Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zum Austausch ein. Ziel der Veranstaltung ist es, eine Plattform zu schaffen, auf der Herausforderungen klar benannt und Lösungsansätze für Industrie und Mittelstand diskutiert werden. Jährlich nehmen mehrere Hundert Gäste, insbesondere aus der Region Ostwestfalen und dem Münsterland, teil.
Über heristo
heristo gehört mit einem Jahresumsatz von rund 1,8 Milliarden Euro zu den großen familiengeführten Unternehmen der Lebensmittel und Heimtiernahrungsbranche in Deutschland. Das Unternehmen ist in vierter Generation im Familienbesitz und in den Bereichen Human Food (Fleischveredelung, Feinkost, Fertiggerichte) und Pet Food (Heimtiernahrung für Marken und Handelsmarken) aktiv. Rund 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten an nationalen und internationalen Standorten für die Unternehmensgruppe.
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