Zwischen Bürokratie und Realität: So gelingt Arbeitsschutz in der Praxis

Wuppertal (ots) –

Arbeitsschutzvorschriften in Betrieben dienen dazu, sichere und gesunde Arbeitsplätze zu schaffen, um Unfälle zu vermeiden. Dass sie einen gewissen bürokratischen Aufwand mit sich bringen, dürfte auf der Hand liegen. Dennoch werden in letzter Zeit immer mehr Stimmen laut, die die Bürokratisierung im Arbeitsschutz hinterfragen. Selbst in der Politik wächst die Kritik: So bezeichnete CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann die Prüfvorgaben von Leitern kürzlich überspitzt als „Quatsch“. Mehr noch: Er unterstellte dem Staat ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber seinen Bürgern.

Tatsache ist: Immer mehr Betriebe geraten durch die überbordenden Vorgaben im Arbeitsschutz unter Druck. Zwar ist die Aufgabe, Verletzungsrisiken zu minimieren, essenziell wichtig – doch nicht alle Vorschriften sind gleichermaßen zielführend. Welche Vorgaben Unternehmen tatsächlich weiterbringen und wo durchaus Vereinfachungen möglich wären, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Diesen Stellenwert hat der Arbeitsschutz in deutschen Unternehmen

Welchen Stellenwert der Arbeitsschutz in deutschen Unternehmen einnimmt, variiert von Betrieb zu Betrieb. Während große Konzerne und mittelständische Betriebe im produzierenden Gewerbe dem Thema in der Regel einen hohen Stellenwert beimessen, gibt es in kleineren Unternehmen oft noch viel Luft nach oben, obwohl sich das Ausfallen von Mitarbeitern hier ganz besonders schmerzlich auswirkt. Dennoch lässt sich seit den 1990er Jahren insgesamt eine positive Entwicklung beobachten: Seit Einführung des Arbeitsschutzgesetzes und beispielsweise der Maschinenrichtlinie hat sich die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle deutlich reduziert. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen zeigen also Wirkung.

Schon alleine dieser Umstand macht deutlich: Rechtliche Vorgaben sind im Arbeitsschutz unerlässlich, denn überall dort, wo Menschen zusammenarbeiten, braucht es gewisse Leitplanken. Entgegen einiger Meinungen haben Unternehmen dabei durchaus einen gewissen Spielraum: So können Betriebe selbst festlegen, wie intensiv bestimmte Maßnahmen ausfallen sollen – sofern das mit fachlicher Kompetenz und gesundem Menschenverstand geschieht. Ein anschauliches Beispiel ist die Prüfung ortsveränderlicher elektrischer Betriebsmittel: Während auf der Baustelle kürzere Prüffristen sinnvoll sind, kann im Büro ein längeres Intervall völlig ausreichen.

Wo gibt es Entbürokratisierungspotenzial?

Die Anzahl der einzuhaltenen Arbeitsvorschriften steht in einem direkten Zusammenhang von Branche, Unternehmensgröße und Tätigkeiten, die im Betrieb durchgeführt werden. So müssen Verwaltungsbetriebe in der Regel nur wenige Regelungen beachten. Anders sieht es in produzierenden Betrieben aus, wie beispielsweise in der chemischen Industrie. In diesen Fällen steigen natürlich die Anforderungen. Entsprechend wichtig ist es, mit Bedacht an eine Gefährdungsbeurteilung heranzugehen.

Vollständig überflüssig sind Arbeitsschutzvorschriften selten. Probleme entstehen eher durch missverständliche Auslegungen innerhalb der Betriebe, die das eigenverantwortliche Arbeiten von Mitarbeitern und Führungskräften unverhältnismäßig stark einschränken. So ist es 50-jährigen Mitarbeitern zum Beispiel nur schwer zu vermitteln, warum eine Unterweisung zum Thema Mutterschutz erfolgt, wenn im Produktionsbereich noch nie eine Frau gearbeitet hat. Oder aber es kommt zu Unverständnis, wenn neu eingekaufte elektrische Betriebsmittel mit CE-Kennzeichnung vor der Nutzung durch eine befähigte Person elektrisch geprüft werden müssen. Vor allem für kleinere Betriebe, die nur ab und zu elektrische Arbeitsmittel wie etwa Bildschirme oder Stehlampen für das Büro einkaufen, ist dieser Vorgang kaum umsetzbar.

Spielräume für weniger Bürokratie im Arbeitsschutz gibt es dennoch. Wichtig ist, dass Betriebe den rechtlichen Rahmen kennen und diesen auf ihre spezifischen Gegebenheiten anwenden. Eine fundierte Gefährdungsbeurteilung bildet dabei die Grundlage, um Risiken zu bewerten und erforderliche Maßnahmen festzulegen. So kann beispielsweise festgestellt werden, dass elektrische Betriebsmittel in einem Büro nicht zwingend jährlich geprüft werden müssen, sondern längere Prüfintervalle möglich sind, sofern das Risiko entsprechend gering ist.

Von einer regelorientierten hin zu einer sozialen Sicherheitskultur

Dass Unternehmen im Arbeitsschutz Eigenverantwortung tragen sollten, dürfte außer Frage stehen. Tatsächlich liegt die Verantwortung für den Arbeitsschutz schon heute auf einem hohen Niveau. In vielen Fällen braucht es jedoch die Fähigkeit, wirksam mit dieser Verantwortung umzugehen. Konkret gesagt: Unternehmen stehen vor der Herausforderung, auf Basis der Gefährdungsbeurteilung Maßnahmen zu finden, die zu der Organisation und den Mitarbeitern passen. Denn eine reine Pflichterfüllung nach Schema F, die bürokratische Hürden schafft, führt selten zu echter Sicherheit.

Mindestens ebenso wichtig ist das Thema Sicherheits- und somit Unternehmenskultur. Sie hat einen entscheidenden Einfluss darauf, inwiefern Regeln durch die Menschen im Unternehmen beachtet und eingehalten werden. Wo eine innere Motivation für den Arbeits- und Gesundheitsschutz herrscht, sind grundsätzlich weniger Regulierungen bis ins kleinste Detail nötig. Eine Sicherheitskultur, die Arbeitsschutz nicht als bürokratische Pflicht, sondern als gemeinsamen Wert begreift, ist langfristig wirksamer als jedes Regelwerk. Der Wandel von einer regelorientierten hin zu einer sozialen Sicherheitskultur ist daher ein wichtiger Schritt zu weniger Bürokratie und mehr Praxisnähe im Arbeitsschutz.

Über Stefan Ganzke und die WandelWerker Consulting GmbH:

Stefan Ganzke ist zusammen mit Anna Ganzke Gründer und Geschäftsführer der WandelWerker Consulting GmbH. Gemeinsam mit ihrem Team unterstützen die beiden mittelständische Unternehmen und Konzerne dabei, die Arbeitsunfälle kontinuierlich und nachhaltig zu senken sowie eine gelebte Arbeitsschutzorganisation zu entwickeln. Weitere Informationen erhalten Sie unter: https://www.wandelwerker.com

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